Fliehganzleis by Frederike Schmöe

Fliehganzleis by Frederike Schmöe

Autor:Frederike Schmöe [Schmöe, Frederike]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kriminalroman
ISBN: 978-3-8392-3392-4
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2012-08-07T12:53:49+00:00


31

Als ich endlich zu Hause vorfuhr, war die Septembernacht herabgesunken. Vor dem bewaldeten Hügel zeichneten sich die Umrisse meines Hauses ab. Ich stellte den Motor aus und blieb eine Weile sitzen. Musste mich erst wieder an die Einsamkeit hier draußen gewöhnen, die ich mit niemandem außer mit zwei Graugänsen teilte.

Die beiden kamen fröhlich schnatternd auf mich zugelaufen, als ich ausstieg und die paar Meter zum Auslauf hinaufging. Sie waren zutraulicher als Kätzchen, ließen sich streicheln und zeigten mir ihre Zuneigung durch sanftes Zupfen.

Noch war mir nicht ganz klar, warum Juliane mich gezwungen hatte, sie zur Komplizin zu machen. Lag es daran, dass sie sich nun, da Nero und ich zusammenkamen, voraussichtlich jedenfalls, als fünftes Rad am Wagen fühlte? Kam sie sich vernachlässigt vor, suchte sie einen Weg, mich an sie zu binden? Oder nahmen die Erinnerungen sie wirklich so mit, dass sie dermaßen ins Trudeln geriet?

Ich atmete tief die kühle Spätsommerluft ein. Die lauen Nächte waren vorbei. Dunst hing zwischen den Bäumen. Man verspürte kein Verlangen mehr, nachts draußen zu sitzen. Ich sah den beleuchteten Kirchturm von Ohlkirchen hinter dem Hügel und lauschte in die Stille. Mein Haus lag am toten Ende der Straße. Sie führte an meinem Grundstück entlang und wurde wenige Kilometer weiter zu einem Flurbereinigungsweg, den allenfalls die Landwirte mit ihren Traktoren befuhren. Oder Einheimische, die zur Hochsaison den Touristenströmen zum Starnberger See und Ammersee ausweichen wollten.

Ich brauchte die Stille hier draußen. Und ich fürchtete sie auch. Ich musste mich richtig überwinden, die Gänse in den Stall zu scheuchen, den Riegel vorzuschieben und auf meine Bude zuzugehen. Ein Haus, nicht mehr baufällig, aber immer noch kein Vorzeigeheim für ›Schöner wohnen‹. Das würde der Bungalow aus den 60ern auch nie werden.

Er war zuletzt von einer Wohngemeinschaft okkupiert worden, die sich von morgens bis abends bekifft und die dringend nötigen Renovierungsarbeiten links liegen gelassen hatte. Danach war das Haus der Bank in den Rachen gefallen, und schließlich mir.

Ich schloss gerade auf, als mein Handy klingelte. Den nächsten Reporter würde ich dermaßen mit verbalem Unflat überschütten, dass …

»Gelbach«, meldete sich die Kommissarin. »Sind Sie schon zu Hause?«

»Soeben angekommen.«

»Das hat aber lange gedauert.«

»Ich war noch bei einer Freundin.«

»Haben Sie schon herausgefunden, wer Katja ist?«

Ich schaltete das Licht in der Küche an, sah ins Arbeitszimmer, ins Schlafzimmer, ins Bad. Alles lag ruhig und friedlich da. Warum auch nicht. Hatte ich erwartet, dass die Stasi hier ein konspiratives Treffen veranstaltet hatte? Mein Problem war, dass ich zu tief in die Geschichten einstieg, die ich gerade schrieb. Die Wasser schlugen über mir zusammen und ich fand mich selbst in der Story wieder.

»Nein. Sie?«

»Nein. Ich wollte nur nachfragen«, entgegnete Martha Gelbach. »Wäre nett, wenn Sie Ihre Erkenntnisse mit mir teilten. Nur für den Fall.«

»Larissa muss einen Geliebten gehabt haben«, sagte ich. »Einen Alexander, auch Alex genannt. Nachname Fink oder Finken.«

»Woher haben Sie das?«

»Ich habe meine Aufzeichnung noch einmal ausführlich gesichtet.« Ich sah in mein drittes Zimmer, das sogenannte Gästezimmer, das zum Gänsegehege ging und das Nero mit mir gemeinsam renoviert hatte. Plötzlich fühlte ich einen Stich im Herzen.



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